1893 wurde
in den Rigaischen Stadtblättern eine „Fechtschul-Ordnung“ aus dem Jahre 1592
veröffentlicht, welche sich damals in einem Manuskript im Besitz der „Gesellschaft
für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands“ befunden haben
soll.[1] In den Sitzungsberichten besagter Gesellschaft
von 1893 wird erwähnt, dass bei ihrer
Sitzung von „Herr Oberlehrer Dr. Alexander Bergengrün“ eine Fechtschulordnung
von 1592 vorgelegt wurde und sich diese Ordnung „in der Bibliothek der
Gesellschaft“ aufbewahrt befindet.[2]“
Es ist daher davon auszugehen, dass eben jener Bergengrün diese in den
Rigaschen Stadtblättern veröffentlichte.
Das Manuskript selbst
konnte ich leider bisher nicht ausfindig machen. Im Folgenden gebe ich daher
meine Transkription der Druckausgabe aus den Rigaischen Stadtblättern –
inklusive der wenigen textkritischen Anmerkungen – sowie meiner Übersetzung in
Neuhochdeutsch wieder. Auch eine Nachfrage bei den lettischen Archiven zeigte
nur, dass die einstige Bibliothek so verstreut und unsortiert ist, dass nur
eine intensive Recherche vor Ort hier Abhilfe bringen könnte.[3]
Fechtschul-Ordnung. 1592.
Im Namen der heiligenn Dreifaltikeit. Amen.
Liebe gott vor allenn dingenn, so wirdt dir deine kunst nicht mißgelingen.
Alle diese fürgeschriebenne artickel vnndt regel, sollenn alle diese meinne schüller so diese freye ritterliche kunst vonn mir zu lernnenn begerenn stede vndt fest haltenn bei verlust vnndt straffe, gleich wie folget:
1. Zum Erstenn sol einn ider schüler, wen er auf den platz kompt meister vnndt schüller vonn wegenn der kunst begrüssen bei verlust der straffe 6 schilling.
2. Zum anderenn sol keinner nicht bei dem namen gottes nicht fluchenn noch schwerenn bei verlust der straffe [eine]*) halbe mark.
3. Zum Drittenn Da einner die freye ritterliche kunnst begeret vonn mir zu lernnenn, so sol er schultig seinn mir daß halbe geld vorauß zu gebenn nach laut deß vertrages, auch wann er die fünf houwe gelernnt hat.
4. Zum vierdenn sol ein Jder schüler wan er auf den platz kompt seine aufhebenß machen, vundt wan er gefochten hat wiederumb sein niederlegenn bei verlust der straffe 6 schilling.
5. Zum fünftenn sol ein Jder schüler wan er gefochtenn hat zu einem Ider gange sein niederstelen machen bei verlust der straffe 6 schilling.
6. Zum Sexdenn sol ein Jder schüler wan er gefochtenn hat seinnen abzug machenn, bei verlust der strafe 6 schilling.
7. Zum Siebentenn hat kein schüler mach[t ein]ne wehr in die handt zu nemen darin er nicht lernnt oder gelernnet hat, bei verlust der [straffe] 6 schilling.
8. Zum achtenn sol keinn schüler [macht haben] andere mit sich auf den platz zu nemen, welcher der kunst nicht gemeß ist, bei verl[ust der] straffe Einne marck.
9. Zum neundenn sol keinn schüler sich [vndersteh]enn_haß oder neidt im fechtenn auf dem platze außzutragenn bei verlust der straffe ein[ne] marck.
10. Zum Zehendenn da einer den andern auß haß oder neitt verwundet, sol straffe geben 18 schilling.
11. Zum Elftenn sol ein Jder sein bestimbte stunde haltenn bei verlust der straffe 6 schilling.
12. Zum Zwölftenn sol keiner deß andern weder lachenn noch spottenn bei verlust der straffe 6 schilling.
13. Zum Dreizehenden sol keinner von dem platz gehenn er sol seinne straffe welche er verwircket hat ablegenn bei verlust der straffe 18 schilling.
Alle diese fürgeschriebenne artickel sollenn stets vndt fest vnder sich gehaltenn werdenn vndt so sich einner vnderstehenn würde denn geringste[nn] artickel zu uerachten oder sich darwider zu legenn der sol nach erk[entn]is Meisterß vndt der anderer schüler gestraft werdenn, hernach sich ein Jder weiß zu r[ich]tenn vndt vor schadenn zu hütenn.
Datum Riga den Pfingstmondag Anno 1592.
*) Die eingeklammerten Buchstaben bezeichnen im Manuskript defecte Stellen, die dem Sinne nach ergänzt worden sind.
Fechtschulordnung 1592
Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit. Amen.
Liebe Gott vor allen Dingen, so wird dir deine Kunst nicht misslingen.
Alle diese hier aufgeschriebenen Artikel und Regeln sollen alle diese meine Schüler, welche diese freie ritterliche Kunst von mir zu lernen wünschen, dauerhaft und unverbrüchlich einhalten bei Verlust und Strafe wie folgt:
1. Erstens soll ein jeder Schüler, wenn er auf den Platz kommt, Meister und Schüler aus Gründen der Kunst begrüßen oder als Strafe 6 Schilling zahlen.
2. Zweitens soll keiner beim Namen Gottes fluchen oder schwören oder als Strafe eine halbe Mark zahlen.
3. Drittens: Wenn einer die freie ritterliche Kunst von mir lernen möchte, so schuldet er mir laut Vertrag die Hälfte des Geldes im Voraus und erneut [d. h. die andere Hälfte], wenn er die fünf Hiebe gelernt hat.
4. Viertens soll ein jeder Schüler, wenn er auf den Platz kommt, seine Aufheben machen und, wenn er gefochten hat, wiederum sein Niederlegen oder als 6 Schilling zahlen.
5. Fünftens soll ein jeder Schüler, wenn er gefochten hat, zu einem jeden Gang sein Niederstellen[4] machen oder als Strafe 6 Schilling zahlen.
6. Sechstens soll ein jeder Schüler, wenn er gefochten hat, seinen Abzug machen oder als Strafe 6 Schilling zahlen.
7. Siebentens hat kein Schüler die Erlaubnis, eine Waffe in die Hand zu nehmen, in welcher er nicht unterrichtet wird oder wurde oder als Strafe 6 Schilling zahlen.
8. Achtens soll kein Schüler die Erlaubnis haben, Andere mit auf einen Platz zu nehmen, welcher nicht für die Kunst angemessen ist[5] oder als Strafe eine Mark zahlen.
9. Neuntens soll kein Schüler sich kein Schüler erlauben, Hass oder Neid im Fechten auf dem Platz auszutragen oder als Strafe eine Mark zahlen.
10. Zehntens: wenn einer den Anderen aus Hass oder Neid verwundet, soll er zur Strafe 18 Schilling zahlen.
11. Elftens soll ein jeder seine festgelegte Stunde einhalten oder als Strafe 6 Schilling zahlen.
12. Zwölftens soll keiner den Anderen auslachen oder spotten oder als Strafe 6 Schilling zahlen.
13. Dreizehntens soll keiner vom Platz gehen, sofern er nicht seine Strafen begleicht, die er verantwortet hat oder er soll als Strafe 18 Schilling zahlen.
Alle diese hier niedergeschriebenen Artikel sollen dauerhaft und unveränderlich eingehalten werden. Wenn sich einer erlaubt, nur den geringsten Artikel zu missachten oder sich ihm zu widersetzen, soll er nach Beurteilung des Meisters und anderer Schüler bestraft werden. So soll ein Jeder wissen, wie er sich richtig verhalten und vor Schaden bewahren kann.
Gegeben in Riga, den Pfingstmontag im Jahr 1592.
Die Stadt Riga hat eine lange und wechselhafte Geschichte. Zu Beginn des 16. Jahrhundert schloss sich die Stadt Riga der Reformation an und wollte sich stark als freie Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches etablieren. 1581 huldigten die Stadtbürger dem polnischen König und erhielten dafür die traditionellen Freiheiten und Privilegien bestätigt. Als einstiges Zentrum der Missionierung und Kolonialisierung unter dem Einfluss des Deutschen Ordens bildeten Deutsche mindestens bis in das 19. Jahrhundert die wohl größte Bevölkerungsgruppe. Sprachliche und inhaltliche Gemeinsamkeiten oder zumindest Ähnlichkeiten zu anderen zeitgenössischen Quellen im fechterischen Kontext, die im deutschen Kerngebiet entstanden sind, wären daher nicht verwunderlich. Eine Forschung zum kulturellen Austausch zwischen den baltischen Ländern und Reichsgebieten mit Bezug zur Fechtkunst, hat bisher nur in Ansätzen nicht stattgefunden und wäre sicher vielversprechend. So lässt sich in Riga eine lokale schermschole im Sinne eines Platzes oder einer Räumlichkeit in der damaligen beverstrate bereits 1479 nachweisen.[6] 1506 befindet sich das Haus von Marten Brekervelt zwischen Clawes Gildelave und der scharmeschole tegen hern Frowin Geysmer aver am schilde belegen.[7] 1507 ist hern Gobel vam Dale twe stenhuße in der beverstrate, by hern Marten Brekerveldes hofporten unde achter der olden scharmeschole belegen. 1514 scheint sich das schermeschalen hus im Besitz eines Gerdt Symon zu befinden.[8] Für die Beverstraße konnte ich Hinweise finden, dass diese mit der späteren Weberstraße[9] hinter der Johanniskirche identisch war. Ich habe diesen Bereich auf den folgenden historischen Karte markiert. Es scheint also bereits zu Beginn des 16. Jahrhundert in Riga eine alte (und daher vermutlich auch eine neue) Schirmschule im Sinne einer Örtlichkeit zum Fechten gegeben zu haben. Fechtschulen im Sinne von öffentlichen Veranstaltungen sollen auch 1575 in Riga zu Ehren des neu erwählten Königs abgehalten worden sein.[10] Ein Fechter und Kannengießer mit Namen „Hanns Sengeisen“ soll als Aufständischer 1589 hingerichtet worden sein.[11] Wie groß der Einfluss der Fechtkultur auch im gesamten Ostseeraum war, zeigen auch erhaltene Kacheln z. B. von Kachelöfen aus dem großherzoglichen Palast in Vilnius.[12]
All diese Belege legen nahe, dass auch Riga eine entwickelte Fechtkultur hatte.Es ist schwierig, die vorliegende Ordnung zu kontextualisieren. Weder kann die Echtheit geprüft werden, noch ist klar, ob etwa die erste Zeile „Fechtschul-Ordnung. 1592.“ im Original stand oder vom Herausgeber als Überschrift hinzugefügt wurde.
Die Ordnung scheint ein weiteres Beispiel für eine Fechtschule im Unterrichtsformat zu sein. Während viele erhaltene Ordnungen von Seiten der Städte erlassen wurden, um Fechtschulen im Sinne von Wettkampfformaten zu regulieren, sind erhaltene Ordnungen mit vorliegender Zielstellung im deutschen Sprachraum selten.[13] Eine weitere solche Ordnung, die sich erhalten hat, stammt aus Solothurn aus dem Jahr 1546.[14] Aus Amiens in Frankreich haben sich Statuten lokaler Meister erhalten, in welchen das Verhalten auf der Schule für die jeux dármes , wohl der französische Ausdruck für Fechtschulen, von 1530 erhalten, wo ebenfalls Themen des Lehrens, des Lehrgeldes und ein Verhaltenskodex überliefert werden.[15] Freifechter und Meister, die öffentlich Unterricht für Geld anbieten wollten, mussten dies beim Stadtrat und den manchenorts von der Stadt eingesetzten „Inhabern der Schulen“ persönlich anzeigen. Dabei musste dieser sich vorstellen und seine Kunst z. B. durch Nennen seines Meisters mittels Schwur nachweisen sowie seine Ordnung erläutern, welche er anschließend schriftlich anschlug, vermutlich am Rathaus der Stadt. Für Augsburg ist auch nachweisbar, dass sich die Inhaber der Fechtschulen vorbehielten, fremde Meister zu „probieren“.[16]
Bei der vorliegenden Quelle könnte es sich durchaus um einen solchen Anschlagzettel bzw. die Inhalte eines solchen handeln, wie sie ein Fechtmeister 1592 dem Stadtrat von Riga bei seiner Vorstellung anzeigte. Vermutlich handelt es sich aber eher um eine persönliche Ordnung eines Meisters zum sicheren und disziplinierten Ablauf des Fechtunterrichts auf dem (Fecht-)Platz.
Im Gegensatz zur Solothurner Ordnung, mit der die Rigaer Quelle im Folgenden verglichen wird, wird hier der Betrag des Lehrgeldes nicht erwähnt. Es wird vielmehr auf den laut des vertrages verwiesen. Es gab dieser unspezifischen Formulierung zufolge also entweder einen Standard-Vertrag für die Lehre aller Schüler oder jeder Schüler handelte mit dem Meister einen eigenen Vertrag aus. In jedem Fall gab es also weitere Abmachungen zum Unterricht selbst, die uns hier nicht überliefert werden.
Wie in der Solothurner Quelle erfolgte auch hier die Zahlung in zwei Raten, welches beiden Parteien eine gewisse Sicherheit in Bezug auf die Vertragserfüllung einbrachte. Die erste Hälfte sollte zu Beginn und die zweite Hälfte „wann er die fünf houwe gelernnt hat“ gezahlt werden.
Durch das bezeichnen der Zielgruppe als „meinne schüller so diese freye ritterliche kunst vonn mir zu lernnenn begerenn“ zeigt sich die vorliegende Ordnung als Verhaltenskodex explizit für die Schüler dieses Meisters. Dadurch wird umso mehr das besondere Lehrer-Schüler-Verhältnis deutlich. Auf Wettkampforientierten Fechtschulen durften entweder anwesende Fechter im Sinne von Schülern diverser Meister oder Bruderschaften „aufheben“ oder auf manchen sogar alle Anwesenden.[17] In jedem Fall unterscheidet sich in diesem Punkt die Rigasche Quelle klar durch den persönlichen Bezug zu den eigenen Schülern.
Insgesamt ergeben sich verschiedene Zielstellungen, welches bereits bei einer inhaltlichen Gegenüberstellung und Kategorisierung beider Ordnungen deutlich wird, wie in der folgenden Tabelle dargestellt.
Solothurn | Riga |
| 1. Begrüßung, Autorität und ehrbares Verhalten |
1. Bezahlung in zwei Teilen | 2. Bezahlung in 2 Teilen |
2. Lehrinhalte (schuelrecht) (fünff How und weitere Stücke aufgezählt) | 3. Inhalte (fünf houwe) |
3. Verweis auf zusätzlichen Einzelunterricht | |
4. Strafen a. Bei Waffen hinwerfen statt niederlegen b. Bei Wehr von anderen hinlegen lassen c. Bei Zu spät kommen (bestimpte stunde) d. Wenn eine Waffe aufgehoben wird, in welcher der Schüler nicht lernt oder ausgebildet ist. (nochmal prüfen) e. Bei Ungehorsam. | 4. Verhalten a. Wehren aufheben und niederlegen b. Niederstellen nach jedem Gang c. Bei jedem Gang Abzug machen d. Nur Wehren in die Hand nehmen, in welchen er lernt oder gelernt hat e. Keine Fremden mitbringen f. Kein Austragen von Hass und Neid g. An die „bestimbte stunde“ halten h. Kein Verspotten oder Auslachen i. Verlassen des Platzes erst nach Zahlen aller Strafen |
5. Zwei Tage die Woche Training nach dem Beibringen der Stücke | 5. Schüler achten mit auf die Einhaltung |
Die Artikel beider Meister ähneln einander und nutzen gleiche Fachtermini. Es zeigen sich aber auch die unterschiedlichen Schwerpunkte beider Meister. Der Meister in Riga legte wohl mehr Wert auf Disziplin und hat die finanzielle und inhaltliche Regelung des Unterrichts nicht im selben Dokument dargelegt. Dem Solothurner Meister war es dagegen wichtig, auch auf die zu lehrenden Inhalte und seine weiteren Dienstleistungen hinzuweisen. Das gewünschte Verhalten der Schüler oder Teilnehmer beschreiben beide Meister grundsätzlich gleich. Beide legen wert darauf, dass mit den Waffen ordentlich umgegangen wird, um sowohl Unfällen, Missverständnissen als auch Beschädigungen vorzubeugen. Auch der Ablauf der Gänge ist klar geregelt mit Aufheben, Niederlegen und, im Falle von Riga, auch dem Abzug und dem Niederstellen. Der Abzug ist ein technisch-taktisches Element in den Fechtbüchern der Deutschen Schule, wonach ein Schüler, nachdem er seine Aktion ausgeführt hat, sich von seinem Gegner unter Eigenschutz entfernen soll. Hier zeigt sich, dass dieses Schutz-Element auch zur Sicherheit des Ablaufs auf dem Fechtplatz genutzt wurde. Das Niederstellen meint vermutlich das Abstellen der Fechtwaffe, um wiederum einen sicheren Ablauf zwischen den Waffengängen zu gewährleisten, sodass keiner der Kämpfer unvorbereitet angegriffen werden kann. Beide Meister bestrafen Unpünktlichkeit; die Schüler sollen zu ihrer bestimpte stunde zum Unterricht erscheinen. Der Rigaer Meister legt weiterhin Wert darauf, eine sprachliche Etikette einzuhalten, sodass weder lachen noch spotten erlaubt waren.
Die höchsten Strafen waren im Rigaer Beispiel:
- Auf unpassenden Plätzen fechten (1 Mark),
- Hass oder Neid im Fechten auf dem Platz auszutragen (1 Mark),
- Fluchen oder Schwören im Namen Gottes (1/2 Mark),
- Verwundung beim Fechten aus Hass und Neid (18 Schilling) und
- Nichtzahlen der Strafen (18 Schilling).
Da Riga zu dieser Zeit zum Herrschaftsbereich des polnischen Königs zählte, galt die Krakauer Mark mit dem polnischen Schilling. Ein Krakauer Mark wurde zu 35 Groschen oder zu 177 Schilling gehandelt. Um 1556 betrug der durchschnittliche Tagelohn eines einfachen Arbeiters in Riga 4 bis 5 Schilling. Die Mauerleute erhielten 12 und ihre Knechte 9 Schillinge. Für niedere Arbeiten (Reinigung, Dreckabschaffung) war der Lohn sogar nur 2 bis 3 Schilling. Die Lohnspanne war also groß. Gutverdiener hatten Einkommen weit darüber. Um die Kaufkraft zu vergleichen zeige ich hier die Preise für die zwei wichtigen Lebensmittel Bier und Roggen (für Brot) auf. In Reval kostete um 1570 ein Pott oder eine Kanne Bier 4 Schillinge. Im Bereich des Roggens gab es zum Ende des 16. Jahrhunderts einen großen Preisanstieg. Ein Liter Roggen wurde in Antwerpen, dem Zentrum des Getreidehandels in Europa, um 1585 mit 1 Gramm Silber gehandelt. Legt man den Silbergehalt der in Riga um 1592 verwendeten polnischen Schillinge von 0,2 g zu Grunde, dann hätte man also 5 Schilling benötigt, um einen Liter Roggen zu erwerben. Entsprechend hohe Brotpreise sind demnach anzunehmen. [18]
Es zeigen sich demnach einige Erkenntnisse. Die Strafen waren bereits insgesamt für den durchschnittlichen Bürger sehr hoch. Allein aufgrund der Höhe der möglichen Strafzahlungen, kann angenommen werden, dass sich nur Schichten mit hohem Einkommen das Fechten überhaupt leisten konnten. Die geringsten Strafen von 6 Schilling hätten für große Teile der Rigaer Bevölkerung wohl mehr als einen Tageslohn kosten können und damit eine ganze Familie der Lebensgrundlage beraubt.
Der Großteil der Strafen und Regelungen (Artikel 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 12) nimmt sich dem Thema Sicherheit an. So wurde etwa die Selbstkontrolle als wichtige Voraussetzung eines guten Fechtbetriebs gewertet, wie man anhand der hohen Strafen für Fluchen, Hass und Neid auf dem Fechtplatz sehen kann. Hass oder Neid im Fechten auf dem Fechtplatz auszutragen, wurde am härtesten bestraft, bergen sie doch die große Gefahr, dass die Kontrahenten großes Risiko eingehen, mit unnötiger Härte Kämpfen und Bereits sind gegen Regeln zu verstoßen. Geschieht eine Verwundung aus solchen Gründen, kommt direkt die dritthöchste Summe von 18 Schilling als Strafe hinzu. Auch der klare und geordnete Ablauf tragen zur Sicherheit bei. So müssen die Sportwaffen stets von ihrem Platz aufgenommen und auch dort hin zurück gelegt werden, sodass die Möglichkeit von Unfällen oder anderen Gefahren minimiert werden kann. Zusätzlich werden damit auch die Sportwaffen selbst geschont, denn das Hinlegen und Aufheben soll auch das materialschädigende und respektlose Hinwerfen oder vor die Füße werfen verhindern, welches nicht selten ebenfalls durch Gefühlsausbrüche geschah. Die oben bereits erwähnten Elemente des Niederstellens und des Abzugs sind ebenfalls solche ordnenden Elemente, die einem sicheren Ablauf dienen.
Uns zeigt sich hier ein organisierter Fechtunterricht in verschiedenen Wehren, welcher die fünf houwe zum Inhalt hatte. Er scheint für verschiedene Schüler zu verschiedenen Zeiten stattgefunden zu haben. Wenn es heißt, sol ein Jder sein bestimbte stunde haltenn, zeigt sich, dass es zumindest unterschiedliche Zeiten gab.
Es bleibt die Frage, wie man solche Ordnungen bezeichnen möchte. Der Begriff Fechtschul-Ordnung scheint für beide Quellen unzutreffend. Die Solothurner Quelle nennt sich „Ordnunge des faechtens halb“ und bei der Rigaischen scheint die Überschrift „Fechtschul-Ordnung“ fraglich und eher vom Autor des Beitrags in den Stadtblättern hinzugefügt. Eine Forschung zur Bedeutung des Begriffes Fechtschule scheint hier von Nöten, um etwa der Frage nachzugehen, inwiefern die Zeitgenossen unterschiedliche Begriffe für unterrichtende Formate und für Wettkampfformate hatten. Bisher werden beide Kategorien gern einfach unter den Sammelbegriff Fechtschulen zusammengefasst. So zeigt uns städtisches Verwaltungsschriftgut mehrfach, dass in den Städten unterschiedliche Meister die Erlaubnis für öffentlichen und privaten Fechtunterricht erhielten.[19] Mehrfach ist auch belegt, dass dieser Unterricht gezielt zur körperlichen Ertüchtigung der städtischen Jugend diente. Eventuell sollte daher zumindest vorerst der Begriff der „Fecht-Ordnung“ oder „Ordnung des Fechtunterrichts“ als Abgrenzung zur Fechtschul-Ordnung gebraucht werden, wenn man mit Quellen arbeitet, welche den Unterricht und nicht den Wettkampf ins Zentrum stellen.